Allgemeines zum Insolvenzrecht

In der anwaltlichen Beratung findet bei Insolvenzverfahren regelmäßig die Insolvenzordnung (InsO) in Verbindung mit den Regelungen der Zivilprozessordnung (ZPO) und vereinzelt das Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsgesetz (ZVG) seine Anwendung, darüber hinaus gibt es zahlreiche Einzelregelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) welche berücksichtigt werden müssen.

Schwerpunkt der alltäglichen Beratung ist die Frage, welche Art des Insolvenzverfahrens (Regel- oder Verbraucher-Insolvenzverfahren) zur Anwendung kommt und welche Rechte hier im Verhältnis Treuhänder bzw. Insolvenzverwalter und dem Schuldner bzw. Gläubiger bestehen.

In den meisten Fällen geht es um eine Insolvenzantragstellung über das Vermögen einer natürlichen (privaten) Person, gelegentlich auch über das Vermögen einer (auch ehemals) gewerblich tätigen Person bzw. auch einer juristischen Person.

Insolvenzverfahren über natürliche Personen

Bei Insolvenzverfahren über natürliche Personen ist stets zu unterscheiden, ob bei der Insolvenzantragstellung ein sog. Regel- oder ein Verbraucher-Insolvenzverfahren beantragt werden muss. Von dem jeweils zuständigen Gericht bereits eröffnete Verfahren lassen sich hinsichtlich des Aktenzeichens in Regelinsolvenz (= … IN …) und Verbraucher-Insolvenz (= …. IK ….) unterscheiden.

Welche Verfahrensart einschlägig ist, lässt sich wie folgt unterscheiden:

Verbraucher-Insolvenzverfahren (IK)

Ein Verbraucher-Insolvenzverfahren wird immer dann eingeleitet bzw. vom Gericht auf Antrag des Schuldners oder eines Gläubigers eröffnet, wenn die Schulden der betreffenden Person ausschließlich auf dessen privaten Konsum zurückzuführen sind.

Ziel des 1999 eingeführten Verbraucher-Insolvenzverfahrens ist, wenigsten eine anteilige Befriedigung der Gläubiger zu erreichen. Ab der Eröffnung des Verfahrens, dessen Kosten von rund 1.500,00 € der Schuldner tragen muss, gilt für ihn eine sechsjährige „Wohlverhaltensphase“ für Verfahren, die vor de m 01.07.2014 eröffnet wurden.

Für Insolvenzverfahren, welche nach dem 01.07.2014 eröffnet wurden, wird bei Tilgung von 35 % der angemeldeten und festgestellten Forderungen (sowie dem vollständigen Ausgleich von Gerichts- und Verfahrenskosten!) binnen von drei Jahre ab Insolvenzeröffnung die Restschuldbefreiung vorzeitig erteilt oder wenn die Gerichts-/Verfahrenskosten binnen von fünf Jahren getilgt sind. Andernfalls gilt auch in diesen Verfahren die insgesamt sechs Jahre andauernde  Restschuldbefreiungsphase.

In dieser Zeit tritt er alle pfändbaren Einkünfte an einen Treuhänder ab, der sie an die Gläubiger weiterleitet. Jede zumutbare Arbeit muss der Schuldner in dieser Zeit annehmen. Lohn der Mühen ist die Befreiung von der Restschuld.

Das Verbraucher-Insolvenzverfahren führt über mehrere Stufen:

Zunächst muss der Schuldner versuchen, sich mit seinen Gläubigern außergerichtlich über die Regulierung seiner Schulden (z. B. durch Teilerlass, Stundung, Ratenzahlung) zu einigen. Der Weg führt zunächst zu einem Anwalt oder einer Schuldnerberatungsstelle: Dort wird ein Schuldenbereinigungsplan ausgearbeitet und den Gläubigern zur Annahme vorgeschlagen.

Scheitert dieser Versuch, kann der Schuldner mit einer entsprechenden Bescheinigung zum Amtsgericht gehen und ein Insolvenzverfahren beantragen. Er legt dabei eine Aufstellung seiner Vermögens- und Einkommensverhältnisse, Verzeichnisse seiner Gläubiger und seiner gesamten Schulden sowie einen Schuldenbereinigungsplan vor. Anhand dieser Unterlagen unternimmt das Gericht gegebenenfalls noch mal einen Versuch, eine gütliche Einigung zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern herbeizuführen.

Erst wenn auch dieser Versuch scheitert, wird ein (vereinfachtes) Insolvenzverfahren eröffnet. In diesem Verfahren geht es darum, das Vermögen des Schuldners, soweit vorhanden, zu verwerten. Zum Abschluss des Verfahrens stellt das Gericht dem Schuldner die Befreiung von seinen restlichen Schulden in Aussicht, wenn er eine 6-jährige Wohlverhaltensperiode durchsteht. In dieser Zeit hat er jede zumutbare Tätigkeit anzunehmen und den pfändbaren Teil seines Einkommens an einen vom Gericht bestellten Treuhänder abzuführen, der das Geld unter den Gläubigern verteilt.

Auf Antrag wird dann je nach Rechtslage (Eröffnung vor oder nach dem 01.07.2014)  die Restschuldbefreiung erteilt.

Im Zusammenhang mit der Insolvenzantragstellung kann seitens der betreffenden Person über welche das Insolvenzverfahren eröffnet werden soll, ein Antrag auf Stundung der anstehenden Verfahrenskosten gestellt werden. Dieser Stundungsantrag setzt voraus, dass der Antragsteller nicht in der Lage ist, die anstehenden Kosten (zum Teil bis zu 1.500,00 EURO) aus dessen eigenem Vermögen im Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung aufzubringen

Im Vorfeld einer Antragsstellung auf Eröffnung eines Verbraucher-Insolvenzverfahrens ist es erforderlich, einen detaillierten Fragebogen auszufüllen und darüber hinaus einen außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuch mit allen Gläubigern durchzuführen.

Hier sind oftmals viele einzelne Fragen von Mandanten zu beantworten, welche wie folgt wiedergegeben werden:

  • Was geschieht mit meinem Kraftfahrzeug/Motorrad?
  • Was geschieht mit Lebensversicherungen, Bausparverträgen u.a.?
  • Wie wirkt sich ein Insolvenzverfahren auf die betriebliche Altervorsorge aus?
  • Welche Pfändungsfreigrenzen bestehen bei nichtselbständiger Tätigkeit?
  • Wie werden die Rechte Dritter (Eigentumsvorbehalte u.a.) berücksichtigt?
  • Wie verläuft dieses Verfahren vor dem zuständigen Amtsgericht?
  • Wann und wie werden Einträge in der Schufa erfolgen/gelöscht?
  • Wie werden Steuererstattungen innerhalb eines eröffneten Insolvenzverfahrens behandelt?
  • Was geschieht im Falle der Insolvenzeröffnung, wenn ich bei meinem Stromlieferanten Rückstände besitze und die Sperrung angedroht wird?

Gerade in diesem Bereich ist oft eine intensive Beratung und Aufklärung von Mandanten erforderlich, bevor ein für das weitere Leben entscheidender Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt wird.

Bevor dieser Antrag unterzeichnet an das Gericht versandt werden kann, ist es bei Verbraucher-Insolvenzverfahren erforderlich, einen außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuch mit allen Gläubigern durchzuführen. Ein Scheitern dieses Versuches muss von einem Rechtsanwalt oder einer geeigneten und zugelassenen Stelle bestätigt werden, bevor der Insolvenzantrag eingereicht werden kann.

Regelinsolvenzverfahren (IN)

Ein Regelinsolvenzverfahren wird immer dann eingeleitet, wenn eine natürliche Person im Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung eine selbständige Tätigkeit (z.B.: in Form eines laufenden Gewerbes) ausübt. Diese Art des Insolvenzverfahrens ist auch dann einschlägig, wenn seitens der natürlichen Person eine ehemals selbständige Tätigkeit ausgeübt wurde und jeweils eine der folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Mehr als 19 Gläubiger
  • Unüberschaubare Vermögensverhältnisse
  • Rückständige Forderungen aus Arbeitsverhältnissen
  • Rückstände hinsichtlich Sozialversicherungsbeiträge, Lohnsteuer u.a.

Liegt eine dieser Voraussetzungen vor, so kann diese Person ohne einen vorangegangen außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuch (wie bei Verbraucher-Insolvenzverfahren) direkt einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bei dem zuständigen Amtsgericht stellen.

Im Zusammenhang mit der Insolvenzantragstellung kann seitens der hiervon betroffenen Person über welche das Insolvenzverfahren eröffnet werden soll, ebenso wie beim Verbraucher-Insolvenzverfahren ein Antrag auf Stundung der anstehenden Verfahrenskosten gestellt werden. Dieser Stundungsantrag setzt voraus, dass der Antragsteller nicht in der Lage ist, die anstehenden Kosten (zum Teil bis zu 2.000,00 EURO) aus dessen eigenem Vermögen im Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung aufzubringen.

Im Vorfeld einer Antragsstellung auf Eröffnung eines Regelinsolvenzverfahrens ist es auch wie bei einem Verbraucher-Insolvenzverfahren erforderlich, einen detaillierten Fragebogen auszufüllen.

Auch bei der Einleitung eines Regelinsolvenzverfahren über das Vermögen einer (auch ehemals) selbständig tätigen und natürlichen Person treten viele Fragen auf, welche nur im Rahmen einer qualifizierten Beratung und Betreuung innerhalb eines persönlichen Gespräches geklärt werden können. Oftmals ist es auch erforderlich, die privaten Verhältnisse der betroffenen Person zu untersuchen und zu sichten. Denn die Eröffnung eines Regelinsolvenzverfahren über eine gewerblich tätige und natürliche Person umfasst auch deren privates Vermögen, welches öfter missverstanden wird.

Unterschiede zwischen Verbraucher- und Regelinsolvenzverfahren

Die wesentlichen Unterschiede zwischen der Einleitung und Durchführung eines Verbraucher- und eines Regelinsolvenzverfahren lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Verbraucherinsolvenzverfahren:

  • Außergerichtlicher Schuldenbereinigungsversuch zwingend erforderlich
  • Insolvenzantragstellung bei privaten und unter bestimmten Voraussetzungen bei geschäftlichen Schulden möglich
  • Seitens des Insolvenzgerichts wird ein Treuhänder bestellt (sog. „IK-Verfahren“)
  • Veröffentlichung der Eröffnung nur im Staats- und Bundesanzeiger und unter www.insolvenzbekanntmachungen.de
  • Ein Treuhänder hat weniger Befugnisse/Rechte als ein Insolvenzverwalter

Regelinsolvenzverfahren:

  • Einschlägig bei (auch ehemals) gewerblicher Tätigkeit der natürlichen Person
  • Kein außergerichtlicher Schuldenbereinigungsplan erforderlich
  • Seitens des Insolvenzgerichts wird ein Insolvenzverwalter bestellt (sog. „IN-Verfahren“)
  • Veröffentlichung im Staats- und Bundesanzeiger, unter www.insolvenzbekanntmachungen.de und u.U. in der lokalen Tageszeitung
  • Umfassendere Befugnisse/Rechte als ein bestellter Treuhänder

Insolvenzverfahren über juristische Personen oder sonstige Rechtspersönlichkeiten (e.V., GbR, OHG, GmbH, e.G., KG, AG, Stiftung u.a.) unterliegen grundsätzlich den Vorschriften über das Regelinsolvenzverfahren.

Abweichend von einer Insolvenzantragstellung über das Vermögen einer natürlichen Person, steht juristischen Personen oder sonstigen Rechtspersönlichkeiten ein Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten nicht zu.

Im Rahmen der Beurteilung des Antrages auf Eröffnung eines Insolvenzverfahren über derartige Rechtspersönlichkeiten, wird seitens des zuständigen Insolvenzgerichts in der Regel zuvor ein so genannter vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Diesem vorläufigen Insolvenzverwalter werden durch das Insolvenzgericht unterschiedliche Rechte eingeräumt (schwache oder starke vorl. Verwalter).

Darüber hinaus wird in der Regel vor einer Eröffnung eines Insolvenzverfahren ein Gutachten über die wirtschaftliche Lage des Schuldners/Schuldnerin in Auftrag gegeben und von dem Insolvenzgericht eingeholt um abzuklären, ob Aussichten für die Fortführung des Geschäftsbetriebes bestehen bzw. ob ausreichend Masse vorhanden ist, um ein Insolvenzverfahren zu eröffnen.

Gerade im Vorfeld der Eröffnung eines Insolvenzverfahren bzw. vor Insolvenzantragsstellung ist eine Beratung der gesetzlichen Vertreter der juristischen Person bzw. sonstigen Rechtspersönlichkeit erforderlich, um etwaige Haftungen und strafrechtliche Risiken hinsichtlich rückständiger Lohn- und Umsatzsteuern, Arbeitnehmersozialversicherungsbeiträge zu verhindern/vermeiden.

Oftmals werden seitens der gesetzlichen Vertreter der juristischen Person bzw. sonstigen Rechtspersönlichkeit gravierende Fehlentscheidungen getroffen, welche noch Jahre später zu einer Inanspruchnahme von Finanzämter und Krankenkasse auf Grund der eingetretenen persönlichen Haftung führen.

Gerade hier ist auch eine fachkundige und persönliche Beratung wichtig, um ein gegebenenfalls anschließendes Insolvenzverfahren über das eigene Vermögen des gesetzlichen Vertreters zu vermeiden.

Sinn und Zweck eines jeden Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Verbrauchers oder einer (auch ehemals) selbständigen natürlichen Person ist die Erlangung der Restschuldbefreiung nach einer sechsjährigen Wohlverhaltensperiode (für Verfahren mit Eröffnung vor dem 01.07.2014).
Für Insolvenzverfahren, welche nach dem 01.07.2014 eröffnet wurden, wird bei Tilgung von 35 % der angemeldeten und festgestellten Forderungen (sowie dem vollständigen Ausgleich von Gerichts- und Verfahrenskosten!) binnen von drei Jahre ab Insolvenzeröffnung die Restschuldbefreiung vorzeitig erteilt oder wenn die Gerichts-/Verfahrenskosten binnen von fünf Jahren getilgt sind. Andernfalls gilt auch in diesen Verfahren die insgesamt sechs Jahre andauernde  Restschuldbefreiungsphase.

Eine Restschuldbefreiung bei juristischen Personen bzw. sonstigen Rechtspersönlichkeiten ist innerhalb der Insolvenzordnung nicht vorgesehen.

Die Wohlverhaltensperiode von sechs Jahren beginnt mit dem Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der natürlichen Person.

Innerhalb dieser Wohlverhaltensperiode hat die natürliche Person insbesondere die Verpflichtung, die Vermögensverhältnisse gegenüber dem bestellten Treuhänder / Insolvenzverwalter offen zu legen und aktiv bei der Realisierung von Forderungen bzw. Verwertung von Vermögen mitzuwirken.

Verstößt die natürliche Person innerhalb des eröffneten Verfahrens gegen diese Mitwirkungspflicht, so droht ein Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung. Dieser Antrag kann von jedem Insolvenzgläubiger vor dem zuständigen Insolvenzgericht gestellt werden. Insoweit sind je nach Lage des Verfahrens jedoch gewisse Formalien zu berücksichtigen.

Darüber hinaus ist die natürliche Person z.B. verpflichtet:

  • Jeden Wechsel des Wohnsitzes unverzüglich gegenüber dem Treuhänder / Insolvenzverwalter und dem Insolvenzgericht anzuzeigen.
  • Jeden Wechsel bzw. Verlust der Arbeitsstelle unverzüglich gegenüber dem Treuhänder / Insolvenzverwalter und dem Insolvenzgericht anzuzeigen.
  • Sich aktiv um den Erhalt einer neuen Arbeitsstelle zu bemühen und alle angeforderten Auskünfte gegenüber dem Insolvenzverwalter / Treuhänder und dem Insolvenzgericht zu erteilen.

Verstößt die natürliche Person u.a. gegen eine dieser Obliegenheiten, so kann ein jeder Insolvenzgläubiger gegenüber dem zuständigen Insolvenzgericht die Versagung der Restschuldbefreiung (binnen eines Jahres nach Kenntnis über den Verstoß) beantragen, soweit hierdurch ein Benachteiligung der Gläubiger eingetreten ist.

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